Reserve-Kanzlerin von der Leyen provoziert Merkel

by admin on 25. September 2011

Die Arbeitsministerin fährt in der Euro-Krise eine gewagte Doppelstrategie und lässt ihre Zustimmung zum Rettungsschirm offen. Kanzlerin Merkel ist sauer.Das Bundeskabinett will der Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes zustimmen – auch Ministerin Ursula von der Leyen wird dafür ihre Hand heben. Dabei hat die wohl ambitionierteste deutsche Politikerin in den vergangenen Tagen keine Gelegenheit ausgelassen, um öffentlich zu machen, dass sie in Sachen Europa einiges ganz anders sieht als ihre Kabinettskollegen – und auch als die Bundeskanzlerin.Am Montagabend eskalierte der Konflikt endgültig: In der sogenannten Staatssekretärsrunde, die routinemäßig die Kabinettssitzung am Mittwoch vorbereitet, wurde die Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes aufgerufen. Überraschend meldete sich Leyens Staatssekretär Gerd Hoofe zu Wort: Er könne die Zustimmung seiner Ministerin nicht zusagen.Ein Paukenschlag, der den die Sitzung leitenden Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) völlig überraschte. Hoofe führte aus, die zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe seien den Ministerien erst am Sonntagabend zugeleitet worden. Sein Haus habe aber noch Fragen gehabt und diese umgehend an das zuständige Finanzministerium geschickt – bis zum Beginn der Sitzung am Montag seien sie jedoch unbeantwortet geblieben.Merkel-Mann Pofalla reagierte darauf nach Angaben eines Teilnehmers „sauer“ und geriet in einen heftigen Wortwechsel mit Leyens Staatssekretär. Die Situation sei schließlich dadurch gelöst worden, dass der Staatssekretär aus dem Finanzministerium, Jörg Asmussen, anbot, die Fragen aus dem Arbeitsministerium nun sofort mündlich zu beantworten. Nach Asmussens Antworten habe sich Hoofe zufrieden gezeigt und den Zustimmungsvorbehalt zurückgezogen.Doch damit war die Angelegenheit noch nicht ausgestanden. Denn die Geschichte vom Kabinettsvorbehalt wegen unbeantworteter Fragen landete am nächsten Tag in der „Leipziger Volkszeitung“ – nicht zufällig, wie in der Regierung vermutet wird: Leyen habe den Eklat vielmehr erst organisiert und dann kommunizieren lassen, um ihrem Bild als Europapolitikerin eine weitere Facette hinzuzufügen.An diesem Bild malt die eigentlich gar nicht zuständige Arbeitsministerin schon länger: Zum ersten Mal trat Leyen in diesem Sommer mit einem leidenschaftlichen Zeitschriftenbeitrag als Europäerin auf. Dann ließ sie sich in eine Kommission bitten, die für den CDU-Parteitag im November einen Leitantrag zum Thema Europa vorbereiten soll.So weit bewegte sich Leyen im Bereich von Absprachen. Die CDU hat eingesehen, dass die lange vermiedene Debatte über Europa offen geführt werden muss. Doch Leyen engagiert sich darüber hinaus: Am Wochenende plädierte sie in einem Interview für die „Vereinigten Staaten von Europa“ als Ziel, davor hatte sie Sicherheiten für die deutschen Garantien an Griechenland gefordert.Ein seltsames Manöver: Schließlich dringt die Bundesregierung gegenüber Finnland gerade darauf, eine solche Forderung fallen zu lassen. Merkel machte auch sofort deutlich: Die Garantieforderung sei nicht Politik ihrer Regierung.Leyen fährt eine gewagte Doppelstrategie: Einerseits überhöht sie das Euro-Thema pathetisch und wirft damit ein Schlaglicht auf die von vielen beklagte mangelnde politische Führung der Kanzlerin. Andererseits spricht sie auch die Sorgen der Euro-Skeptiker an, indem sie dem in den Koalitionsfraktionen verbreiteten Unbehagen weitere Nahrung gibt, wo man mangelnde Sicherheiten und fehlende Informationen beklagt. Will sie also gleichzeitig mehr und weniger Europa? Für die Kanzlerin muss das wie ein Zangengriff wirken.In der Unionsfraktion, wo Leyen sowieso nicht populär ist, reagiert man auf diese Profilierung mit Wut: Der stellvertretende Vorsitzende Michael Meister nannte Leyens Ruf nach griechischem Pfand „fatal“. „Wenn jemand auf griechisches Gold als Sicherheit zugreifen will, heißt dies, ins Eigentumsrecht der Zentralbank einzugreifen. Dies ist ein massiver Angriff auf die Unabhängigkeit der Zentralbank“, polterte Meister. Leyen stört ihn dabei, den Abgeordneten die Zustimmung zu den neuen Befugnissen des Euro-Rettungsschirmes schmackhaft zu machen.Dazu stellte er den Parlamentariern bessere Mitspracherechte bei der Nutzung des Rettungsfonds in Aussicht. Wenn ein Land unter den Schirm muss, bestehende Hilfsmaßnahmen geändert werden oder wenn der Fonds mehr Geld benötigt, ist ein Beschluss des Bundestages nötig. Zudem soll der Haushaltsausschuss eine Kontrollfunktion übernehmen.Die Opposition schießt sich derweil auf die Arbeitsministerin mit Europa-Ambitionen ein. „Die diversen Absetzbewegungen von Ursula von der Leyen gegenüber ihrer Kanzlerin zeigen zweierlei“, meinte Hubertus Heil, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, und er fügte hinzu: „Merkels Rückhalt in der CDU schwindet, und Ursula von der Leyens Ehrgeiz kennt weder Grenzen noch Verwandte.“

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